„Die Liebe Gottes ist stärker als die Finsternis“ – Pfarrer Vasile Florin Reut gibt Einblick in das rumänisch-orthodoxe Gemeindeleben
Von Ruth Schormann
Wussten Sie, dass es eine Kirche gibt, die an den Weihnachtsmann glaubt und sich intensiv auf Weihnachten mit einer sechswöchigen Fastenzeit vorbereitet? Nein? Dabei leben laut Zahlen der Stadt über 200 orthodoxe Christen in Straubing.
Weltweit gehören etwa 150 Millionen Menschen der orthodoxen Kirche an. Die rumänisch-orthodoxe Gemeinde Hl. Konstantin und Helena feiert ihre Liturgie in der Friedhofskapelle. Dazu kommen sehr viele Gläubige, bis aus Passau und Regensburg.
Im Gespräch verrät Pfarrer Vasile Florin Reut, was die orthodoxe von der katholischen Kirche unterscheidet, warum viele Gemeindemitglieder nicht auf den Weihnachtsmarkt gehen und wieso manche orthodoxe Christen erst im Januar Weihnachten feiern:
Straubinger Tagblatt: Zwar leben viele Ihrer Gemeindemitglieder unter uns, trotzdem scheint die rumänisch-orthodoxe Kirche nicht sehr bekannt zu sein. Was macht sie aus und wie unterscheidet sie sich von anderen?
Pfarrer Vasile Florin Reut: Die Unterschiede zwischen katholischer und rumänisch-orthodoxer Kirche finde ich nicht sehr groß. Aber ein paar Besonderheiten gibt es natürlich schon. Die rumänisch-orthodoxe Kirche ist eine autokephale, also eigenständige Kirche im Rang eines Patriarchats. Sie bildet mit den anderen orthodoxen Schwesterkirchen die Familie der Orthodoxie.
Ein großer Unterschied zur katholischen Kirche ist, dass wir orthodoxe Priester heiraten und eine Familie gründen sollen. Wie sollten wir sonst ein Vorbild für die Gemeinde sein? Außerdem bin ich nicht hauptberuflich Pfarrer, es ist ein Ehrenamt. Ich muss also wie jeder andere Mensch auch einer normalen Arbeit nachgehen. In unserer Kirche wird keine Kirchensteuer erhoben, dadurch sind die finanziellen Möglichkeiten geringer.
Straubinger Tagblatt: Wie unterscheiden sich die verschiedenen orthodoxen Kirchen?
Pfarrer Vasile Florin Reut: Die orthodoxen Kirchen unterscheiden sich nicht nur durch ihre jeweilige Sprache, wie russisch, griechisch oder serbisch, sondern auch durch ihre Kalender. Die serbisch-orthodoxe und die russisch-orthodoxe Kirche haben den Julianischen Kalender beibehalten.
Das heißt, dass für sie der 25. Dezember am 7. Januar ist. Sie feiern Weihnachten 13 Tage später. Wir haben, wie die Mehrheit der christlichen Kirchen, den Gregorianischen Kalender übernommen, so dass wir Weihnachten zur gleichen Zeit wie die katholischen und evangelischen Kirchen feiern.
Verzicht auf tierische Lebensmittel
Straubinger Tagblatt: Wie feiern orthodoxe Christen Weihnachten?
Pfarrer Vasile Florin Reut: Weihnachten ist auch für uns das Fest der Geburt Jesu Christi. Die Freude des Weihnachtsfestes findet seine Erfüllung und seinen wahren Sinn darin, dass die Gläubigen an der Heiligen und Göttlichen Liturgie und der Eucharistiefeier teilnehmen. Dafür bereiten sie sich durch Fastenzeit und Beichte vor.
Das vorweihnachtliche Fasten beginnt 40 Tage vor Weihnachten, etwa sechs Wochen vorher. In unserer Fastenzeit ist der Verzehr von tierischen Produkten wie Fleisch, Käse, Butter, Milch und Eiern nicht erlaubt. Sonntags und feiertags ist Fisch meist erlaubt.
Weihnachten ist für die Rumänisch-Orthodoxen ein ruhiges Fest, das man meist im engen Familienkreis feiert, mit einem Festmahl, Gebeten und Weihnachtsliedern.
Weihnachtstradition stirbt durch Kitsch
Straubinger Tagblatt: Was halten Ihre Gemeindemitglieder und Sie von Weihnachtskitsch und Weihnachtsmärkten?
Pfarrer Vasile Florin Reut: Es ist traurig, dass durch den Kitsch langsam aber sicher die Weihnachtstradition stirbt. Weltlichen Bräuchen wie Weihnachtsmärkten oder dem Plätzchen backen verweigern wir uns nicht. Wenn, dann wegen höherer Preise. Viele Rumänen, die in Deutschland arbeiten, sind immer noch ziemlich arm.
Straubinger Tagblatt: Und wie sieht es dann mit dem Weihnachtsmann, also Santa Claus, aus?
Pfarrer Vasile Florin Reut: Der Mensch braucht Gesten und Rituale. Zur Weihnachtszeit hören wir viele schöne Weihnachtslieder, auch über den Weihnachtsmann. Leider hat unsere Gesellschaft eine weltliche und kommerzielle Art vom Weihnachtsmann oder Santa, wie man ihn auch nennt, geschaffen, ein Symbol des individualistischen Konsums und Materialismus.
Allerdings ist die wahre Bedeutung des Weihnachtsmannes in der väterlichen Liebe Gottes des Vaters zu finden, die Liebe, die er der Welt zeigt durch die Geburt des Sohnes als Erlöser der Welt.
Der Weihnachtsmann kommt aus einem fernen Land – in der Regel sagt man, er kommt aus dem Norden, dort wo es kalt und dunkel ist. Dadurch zeigt uns der Weihnachtsmann, dass die Liebe Gottes, des Vaters, stärker ist als die Finsternis der Sünden und die Kälte.
Interview: Ruth Schormann
Quelle: Straubinger Tagblatt